Bürgerentscheid zur Windkraftanlage im Ebersberger Forst

52,74 Prozent* haben dem Bürgerentscheid zugestimmt. Die Verwaltung wird nun beauftragt, das Planfeststellungs- und Genehmigungsverfahren zu starten.

Die Windräder sollen ein Fünftel des Energieverbrauchs der Haushalte im Landkreis sichern. Als Standort ist das Heilig-Kreuz-Geräumt im Südwesten des Forstes geplant. Das Gebiet befindet sich außerhalb des FFH-Gebietes (lt. Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie europäisch definiertes Schutzgebiet in Natur- und Landschaftsschutz), außerhalb der Wasserschutzgebiete und außerhalb der Wildruhezone. Betroffen ist 0,2 Prozent des Forstes.

Maria Weininger hat im April mit SPD-Kreisrätin Bianka Poschenrieder* gesprochen.

„Die Bürgerentscheidung ist auch gleichzeitig eine Begrenzung der Anzahl an Windrädern. Meine große Befürchtung ist: Bei einer Ablehnung wäre es denkbar, dass die Bayerischen Staatsforsten zu einem späteren Zeitpunkt, etwa wenn der Druck nach einer alternativen Energiegewinnung steigt, 10 oder 15 Windräder errichten könnten. Und das haben die Gegner noch gar nicht verstanden.“

Weininger: 33 Windräder benötigt der Landkreis Ebersberg bis 2030, um den Ausstieg aus fossilen Energien zu schaffen, zusätzlich zu PV und Biogasanlagen. Aber warum ausgerechnet im Forst, einem Naturschutzgebiet und dem größten zusammenhängenden Waldgebiet Süddeutschlands? Und wo sollen die anderen 28 einmal stehen?

Poschenrieder: Die 33 Windräder sind meiner Meinung nach sogar das Minimum, die Zunahme des Verkehrs und die Umstellung auf Elektromobilität ´sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. Der Strombedarf wird weiter ansteigen. Warum wir in den Forst ausweichen müssen, liegt schlichtweg an der ungeheuerlichen 10H-Regelung der Bayerischen Staatsregierung. Sie gilt nur in Bayern und besagt, dass Windräder mindestens in einem Abstand von 10-mal ihrer Höhe von Wohnbebauung entfernt sein müssen. Um innerhalb dieses 10H-Bereichs Windräder möglich zu machen, müssten die Gemeinden Flächennutzungspläne ändern und Bebauungspläne aufstellen. Leider finden sich bis jetzt im Landkreis nur sehr schwer Bürgermeister und Gemeinderäte, die das möglich machen, die Widerstände sind noch sehr groß. Der Kreistag war der Auffassung, dass er mit einem guten Beispiel voran gehen muss. Und für ihn besteht die Möglichkeit nur im Ebersberger Forst. Der Kreistag bzw. der Landrat kann mit den Bayerischen Staatsforsten verhandeln, und die haben sich bereit erklärt, die Fläche zur Verfügung zu stellen.

 

Weininger: Dafür gab es im Kreisrat eine Mehrheit?

Poschenrieder: Ja, mit 42 zu 9 eine deutliche Mehrheit. Die SPD, die Grünen, die Linken und die ÖDP waren geschlossen dafür, aus den anderen Parteien gab es zum großen Teil Zustimmung, nur die AfD ist geschlossen dagegen.

 

Weininger: Wenn sich die Bürger am 16. Mai dafür entscheiden, wird es einen Vertrag mit den Bayerischen Staatsforsten geben. Wie kann man sicherstellen, dass es nicht weitere Begehrlichkeiten gibt, den Staatsforst zu nutzen, etwa durch Straßenbau oder weitere Windräder?

Poschenrieder: Im Vertrag wird festgelegt, dass ausschließlich 5 Windräder gebaut werden und keine weiteren Projekte entstehen dürfen, auch keine PV-Anlagen oder Straßen. Meine große Befürchtung ist: Dieser Vertrag wird erst unterschrieben, wenn Bürger und Bürgerinnen mehrheitlich mit einem „Ja“ stimmen. Bei einer Ablehnung gibt es diesen Vertrag nicht und es wäre denkbar, dass die Bayerischen Staatsforsten zu einem späteren Zeitpunkt, etwa wenn der Druck nach einer alternativen Energiegewinnung steigt, 10, 15 oder mehr Windräder errichten könnten. Übrigens: Die Bayerische Staatsregierung hat schon festgestellt, dass wir auf dem Gebiet der Bayerischen Staatsforsten mindestens 100 Windräder brauchen. Und das haben die Gegner noch gar nicht verstanden. Wenn man so will, sichert der Bürgerentscheid, dass es nicht mehr Windräder werden. Der Vertragsentwurf liegt bereits vor, die Vereinbarung läuft auf unbestimmte Zeit und kann nur aus dringenden Gründen gekündigt werden, das wäre im Prinzip nur mit einem weiteren Bürgerentscheid möglich.

 

Weininger: Betrieben wird die Anlage der Firma Green City AG und es soll eine Bürgerbeteiligung geben.

Poschenrieder: Die Bürger zu beteiligen, finde ich sehr gut. Diese Beteiligung gibt es für den Anteil, den der Landkreis Ebersberg übernimmt, und auch für den Anteil der Green City AG. Im Kreis hofft man außerdem darauf, dass sich auch die Energiegenossenschaften des Landkreises engagieren. Das wäre die beste Lösung. Die Wertschöpfung bliebe in der Region und die Beteiligten entschieden auch darüber, was mit ihrer Energie passiert.

 

Weininger: Was wird mit dem Ziel „Energie einsparen“? Geriete dieses Ziel mit der Anlage nicht vielleicht sogar aus den Augen?

Poschenrieder: Wir brauchen Windkraft, wir brauchen PV. Und gerade dieses Zusammenspiel ist optimal: Wenn die Sonne scheint, gibt es meistens keinen Wind, und umgekehrt weht der Wind, wenn keine Sonne scheint. Natürlich, der Mensch muss sich auch stärker einschränken. Wir haben offiziell einen Verbrauch im Landkreis von 8 Tonnen CO2 pro Person. Dabei ausgeklammert sind der Konsum und auch die Ernährung, beide zusammen machen schon fast die Hälfte des Kuchens aus. Das heißt, wir liegen weit über 10 Tonnen. Wenn es mit der Energiewende und dem Stopp des Klimawandels klappen soll, müssen wir auf 2 Tonnen pro Person kommen. Das muss den Menschen endlich klar werden.

 

Weininger: Daran muss der Einzelne arbeiten, sagst Du. Dem Kreis bleiben, wie ich verstanden habe, dann gar nicht so viele Möglichkeiten, Energieeinsparung voranzutreiben, außer dem Appell an die Bürger und der Errichtung von Anlagen?

Poschenrieder: So ist es. Interessant ist auch: Ein Windrad schafft 8 Mio. kWh im Jahr. Dazu braucht man, wenn es einmal steht, eine Fläche von 0,3 ha. Will man die gleiche Menge Energie über eine PV-Anlage erzeugen, braucht man 8-12 ha. Bei einer Biogasanlage bräuchte man für die gleiche Menge Energie sogar 600 ha. Die Windenergie ist also die effizienteste, weil sie mit dem geringsten Flächenverbrauch die meiste Energie erzeugt. Und wir haben im Landkreis nicht soviel Fläche. Es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als Windenergie zu nutzen.

 

Weininger: Was wird getan, um dem Artenschutz im Bereich der Windräder zu sichern?

Poschenrieder: Endet der Bürgerentscheid mehrheitlich mit „Ja“, greifen sehr strenge artenschutzrechtliche Genehmigungsverfahren, das Bundesnaturschutzgesetz, das Immissionsschutzgesetz und viele weitere. Neben der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts werden dann auch noch die Erholungsfunktion für den Mensch und die Eigenart der Landschaft berücksichtigt. Das sind teure Gutachten, die erst in Auftrag gegeben werden, wenn sich die LandkreisbürgerInnen für die 5 Windräder aussprechen. Sollte sich im Verfahren herausstellen, dass etwas der Planung entgegensteht, wird das Projekt abgebrochen.

 

Weininger: Im Deutschlandfunk wurde 2019 der Forscher Christian Voigt, Forscher im Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin, zitiert. Er befürchtet, dass derzeit ca. 300.000 Fledermäuse pro Jahr den Windkraftanlagen zum Opfer fallen. Abhilfe könnten Anlagen mit einer Abschalthilfe bieten. Wird darauf ein Augenmerk gelenkt?

Poschenrieder: Der Vogelschutzbund beklagt das auch bei uns immer wieder. Aber es gibt Lösungen. Es gibt für Windräder Bat-Recorder. Sie zeichnen auf, wann sich Fledermäuse im Bereich der Windräder bewegen. In diesem Fall wird die Rotation der Flügel so reduziert, dass die Fledermäuse nicht beeinträchtigt werden. Ähnlich funktioniert Vogelmonitoringe, mit dem Vögel geschützt werden können. In Zeiten von Vogelzug kann man dann die Windräder abschalten. Außerdem gibt es wissenschaftliche Untersuchungen, wie man die durch Windräder besonders gefährdeten Rotmilane von den Anlagen fernhalten kann. Gerade Milane suchen ihre Beute nicht über geschlossenen Waldgebieten, sondern werden durch besondere Bepflanzung vom Wald weggelockt. Es gibt eine deutschlandweite Erfassung gemeldeter, verendeter Vögel im Bereich der Windräder. Man vermutet, es sind 4-5 Vögel pro Jahr und Windrad. Die meisten Vögel sterben also immer noch durch den Straßenverkehr, durch Hochspannungsmasten, durch große Fensterscheiben …

Weininger: … und durch den Insektenschwund, der zu den Hauptursachen des europaweit beobachteten Vogelsterbens gehört. Wir müssen also noch viel weiterdenken und dran bleiben.

Vielen Dank für das Interview.

Bianka Poschenrieder ist Kreisrätin (Ausschuss Umwelt, Landkreisentwicklung, Verkehr), Gemeinderätin und Zweiten Bürgermeisterin in Zorneding.