Dirk Schött, SPD-Vorsitzender

Acht Jahre und die Geschichte von Frust und Freude

Nachgefragt von Maria Weininger

Foto: Christian Endt , Ebersberg

Die Koalitionsverhandlungen? Das ist doch mal vorbildlich durch den Olaf moderiert worden. Ein professionelles Bild, was wir abgegeben haben. Das hat Mut gemacht und Hoffnung.“

Trotz Krisenmodus durch Corona und Ukrainekrise sind doch Dinge angeschoben worden, auf die ich stolz bin.“

„Das ist in der SPD tatsächlich anders, die meisten kommen der sozialen Überzeugung wegen.“

 

Du bist das vierte Mal zum Vorsitzenden des SPD Ortsvereins gewählt worden. In deiner Amtszeit ist die SPD durch tiefe Täler gegangen und hat unerwartete Höhen erreicht. War also alles dabei: Frust und Freude.

Auf jeden Fall. Es gab Zeiten, da hat man uns belächelt. Manche waren auch mitleidig. An den Wahlkampf-Ständen passiert ja alles Mögliche, und da wurde man vor ein paar Jahren schon sehr schräg angeredet und sogar beschimpft. Bei der letzten Wahl ist man uns gegenüber plötzlich ganz anders aufgetreten: freundlich und fröhlich. Selbst wenn man anderer Meinung war als der Gesprächspartner, blieb es doch ruhig und sachlich.

Der Aufwärtstrend hat sich ja bereits während der Kommunalwahl 2020 abgezeichnet.

Man hat ja schon gemutmaßt, dass wir hier in Bayern unter 10 Prozent landen könnten. Wenn man es auf Ebersberg bezieht: Wir haben hier unseren Bürgermeisterkandidaten durchgekriegt, wir haben unsere Landtagsabgeordnete Doris Rauscher durchgekriegt. Und nun haben wir in der Bundespolitik auch einen SPD-Bundeskanzler.

Du kannst also mit deiner Arbeit zufrieden sein.

Ich kann zufrieden sein. Was man aber als Ortsvorsitzender beiträgt, bewegt sich in einer homöopathischen Dosis. Meine wichtigste Aufgabe ist die Koordination und die Betreuung des Ortsvereins. Die politische Repräsentanz passiert hingegen durch die Mandatsträger. Ein Bürgermeister Uli Proske, auch wenn er kein SPD-Mitglied ist und nur von uns aufgestellt wurde, eine Landtagsabgeordnete Doris Rauscher, früher unser Bundestagsabgeordneter Ewald Schurer und dann noch unser Fraktionsvorsitzender Christoph Münch, der Anträge in den Stadtrat einbringt. Das sind die Gesichter der SPD Ebersberg. All diese Personen müssen und wollen wieder gewählt werden und brauchen die öffentliche Darstellung.

Welches sind deine persönlichen Ziele für die nächsten beiden Jahre?

Eigentlich hatte ich ja das Ziel, mein Amt abzugeben. Allerdings hat sich niemand für die Nachfolge angeboten. Ich habe ein Verantwortungsgefühl für dieses Amt und will die SPD Ebersberg in einem geordneten und sauberen Zustand übergeben. Mir ist wichtig, mit dem nötigen Schwung und dem richtigen Personal in die Zukunft zu gehen. Ich will sagen können: so wird es erfolgreich weitergehen.

Die Kommunalwahl liegt nun zwei Jahre zurück, ein Drittel der Periode ist schon vorbei. Durch Corona ist manches unserer Aufmerksamkeit entgangen. Was ist nach deiner Wahrnehmung in Ebersberg passiert und welche Rolle hat dabei die SPD gespielt?

Corona schlug mit der Bürgermeisterstichwahl zu. Da durften wir schon nicht mehr zusammen sein. Man hielt sich zurück, blieb zu Hause und besuchte auch nicht mehr so oft die Stadtratssitzungen. Wir haben aber seit dem Amtsantritt von Uli Proske und mit der Sitzverteilung im Stadtrat ein ganz anderes Klima bekommen. Alleine schon deshalb, weil alle den Schulterschluss hinbekommen müssen. Und was die SPD-internen Treffen betrifft: Man hat natürlich in Zeiten von Corona virtuelle Treffen organisiert, die erst auch sehr gut besucht waren, auch von Leuten, die gar keine SPD-Mitglieder sind. Aber manche Leute haben mittlerweile keinen Bock mehr auf virtuell. Das kann ich verstehen. Ist aber eine schwierige Sache. Die einen würden sich gerne wieder persönlich treffen, die anderen trauen dem Braten noch nicht.

Ich fand die virtuellen Treffen sehr interessant, man tauschte sich intensiver aus.

Richtig. Man wird das künftig auch mischen. Das virtuelle Format hat Vorteile, wenn man ein Thema diskutieren will. Jeder ist fokussiert, was in einem Lokal an einem langen Tisch nicht funktionieren kann. Dafür hat es auch tatsächlich große Vorteile. Daneben wird es wieder die Treffen mit Stammtischcharakter geben, wo man einfach nur plaudert. Was man nicht vergessen darf: Der Stammtisch hat auch einen öffentlichen Charakter. Man soll als Partei gesehen werden, mit dem SPD-Wimpel auf dem Tisch. Und jeder hat auch das Bedürfnis nach einem sozialen Austausch.

So und nun der Blick auf den Bund. Hätte ich dich vor einem Jahr gefragt, wer Bundeskanzler wird. Hättest Du geglaubt, dass es ein SPD-Kandidat sein wird?

Nein. Nein. Definitiv nicht. Wäre Söder angetreten, dann hätte ich gesagt, ok, der wird’s. Gegen den Habeck wärs auch schwer geworden.

Fast fünf Monate ist nun die neue Regierung im Amt. Wie bewertest Du diese Zeit der Regierung?

Wie sind denn die Koalitionsverhandlungen gelaufen? Das war doch mal vorbildlich, und das ist ja nun durch den Olaf moderiert worden. Ein professionelles Bild, was wir abgegeben haben. Das hat Mut gemacht und Hoffnung. Und, das muss ja auch mal sagen: Trotz Krisenmodus durch Corona und Ukrainekrise sind doch Dinge angeschoben worden, auf die ich stolz bin. Zum Beispiel der Mindestlohn. Oder die Neufassung des Paragrafen 219a. Das alles wird aber natürlich durch das Krisenmanagement überschattet.

Was würdest Du Dir für die kommende Legislaturperiode erhoffen und welchen Fehler darf die SPD auf keinen Fall machen?

Meine Hoffnung ist, dass man das, was man sich im Koalitionsvertrag vorgenommen hat, auch umsetzt. Den Mindestlohn, mein Lieblingsthema, gibt es schon. Die Energiewende wird eines der Top-Themen sein. Da hoffe ich, dass die SPD eine gute Figur machen wird und in die richtigen Bahnen lenkt. Ich habe ja Angst, dass die Ukrainekrise dazwischen grätscht. Aber einerseits ist es auch förderlich, denn man muss jetzt sparen und die Energiegewinnung umstellen. Aber schon schrein die Ersten wieder nach dem Atomkraftwerk. Also bei diesem Thema darf die SPD auf keinen Fall einknicken.

Und welcher Fehler darf keinesfalls passieren?

Die SPD hat emotional an Fahrt aufgenommen. Man ist wieder zuversichtlich. Dieser Schwung darf nicht verloren gehen und den müssen wir auch nach außen demonstrieren. Den SPD-Politiker und Politikerinnen dürfen keine Patzer passieren, für die man sich im Nachhinein entschuldigen muss. Die CSU mag Leute wie Scheuer & Co vielleicht verkraften und wegstecken. Aber wir nicht.

Helmut Platzer, seit 50 Jahren Mitglied in der Ebersberger SPD, hat einmal gesagt: „In der SPD ist man nicht, weil man was werden will, sondern, weil man was erreichen will.“ Siehst Du das auch so?

Das ist meistens so. Die Arbeit in der SPD ist ideell und eher von einem Gemeinschaftssinn getrieben als in anderen Parteien. In den konservativen Parteien strebt man vielleicht mehr die Pöstchen an. Was hab ich gelernt: A Hund is er scho. Das ist in der SPD tatsächlich anders, die meisten kommen der sozialen Überzeugung wegen.

Das Interview führte Maria Weininger (10. März 2022).